Warten wird teuer

Komme ich aus Rüdersdorf nach Woltersdorf, wird mir an der Stolp Brücke, je nach Ampelschaltung, eine Zwangspause verordnet. Die alte Brücke ist marode, nur noch 30 Tonnen dürfen maximal auf ihr lasten. Deshalb die Ampel, deshalb einspurig, deshalb schlechtere Infrastruktur. Je nach Finanzlage soll irgendwann, 2014, dieses Jahr, 2016, 2017 die Brücke rundum erneuert werden. Es gibt viele Tausend solcher vergammelte Brücken, nicht zu zählende Straßen, die sich in einem erbärmlichen Zustand befinden. Tag für Tag verspielt Deutschland ein Stück seiner Zukunft, weil es zu wenig für die Instandhaltung seines Standortes ausgibt. Deutschland kann und muss mehr investieren, da gibt es Konsens in der Fachwelt und Politik. Eine Kommission des Wirtschaftsministers ist zu dem Schluss gekommen, die Infrastruktur verfällt und je länger Reparaturen und Neubauten verschoben werden, je teurer werden sie. Demografisch sieht’s auch düster aus, irgendwann werden wir weniger Schaffende haben als das Land braucht. Um das Manko auszubügeln müsste die Produktivität verbessert, gesteigert werden. Da sieht’s düster aus, die Schulen und Unis passen sich dem schwächelnden Bildungsniveau ihrer Eleven an, die Prüfungsanforderungen sinken, die Schlüsselzahlen an bestandenen Prüfungen muss stimmen. Öffentliche Investitionen sollen aus Steuermitteln bezahlt werden, jede Form der Privatisierung soll unterbleiben, dass wird von einer Minderheit als die geringste Belastung für die Bürger angesehen.

Soweit Deutschland. Deutschland ist mir zu groß, ich mag’s etwas kleiner, nehme deshalb Woltersdorf. Springen wir zum Anfang zurück, die Ampel schaltet grün, ich komme in unseren Ort. Die Landesstraße ist durchgängig gut, bezahlt wird sie aber nur zum geringsten Teil von unseren Gemeindesteuern. Weiche ich nur wenige Meter nach links oder rechts von der L30 ab, sieht’s übel aus. Über die Maßen viele Sandpisten, mit gewaltigen Schlaglöchern, von Straßen kann selbst ein Gutmeinender kaum sprechen. Der Neubau von Straßen ist irgendwann vor Jahren aufgegeben worden. Einzig eine Straße, die Körnerstraße, wurde aus privaten Mitteln gebaut, das war ein Fiasko erster Sahne. Fiasko hin, Fiasko her, die Familie des Bürgermeister hat in der Zeit dort ein Grundstück erworben. Auch ein Fiasko, dass denjenigen Recht gibt, die solche privaten Vorhaben ablehnen. Jedenfalls können wir feststellen, größeren Unternehmen wird die nicht existierende Infrastruktur der Straßen nicht ausreichen, sie bleiben fort.

Industrie wollen wir nicht, wir setzen auf Tourismus. Wie sieht’s denn da aus mit der Infrastruktur für Touristen in Woltersdorf. Also, die Besucher hoppeln mit ihren Autos durch unsere Schlaglöcher zu den Sehenswürdigkeiten. Was haben wir denn da zu bieten, einen Aussichtsturm, Liebesquelle, die Schleuse, das Heimatmuseum, die altehrwürdige Straßenbahn. Letztere ist eine recht teure Angelegenheit für Woltersdorf, sie erreicht nur einen speziellen Kreis von Fans, für den Rest der Besucher dürfte sie nicht so interessant sein. Aussichtsturm und Schleuse gut, nur wo sollen sich erschöpfte Wanderer ausruhen? Einige vergammelte Bänke, die nicht hin- und herreichen. Das reicht nicht. Die Liebesquelle, die Quelle gibt’s nicht mehr, da fließt jetzt Liebeswasser aus dem Wasserhahn. Diese Attraktion hat Woltersdorf für immer verspielt. An der Schleuse fehlen Parkplätze en masse, seit jeher. Wälder, Seen, Türme, Museen, Schleusen haben die anderen auch, da ist kein Magnet dabei.

Der Schiffsanlegesteg vergammelt und ist inzwischen Gierobjekt von Spekulanten. Das Bellevue (schöne Aussicht) abgerissen. Die Halbinsel an der Schleuse, für ’nen Appel und ’nen Ei verscherbelt. Die Maiwiese vergammelt, der Bürgermeister und die Gemeindevertreter wollten es so. Das Berliner Eck, der Kommunale Küchenbetrieb, gibt’s alles nicht mehr. Nirgends ein Saal für Fest in Sicht. Kein Kino, kein Theater, kein Tanzsaal, rein nichts. Mir scheint’s, hier ist die einst vorhandene, vorzügliche Infrastruktur systematisch vernichtet worden.
Industrie geht nicht, wollen wir ja auch nicht. Tourismus geht auch nicht, da ist zu viel zerdeppert worden, alles neu aufbauen dauert und wer soll’s machen, wer hat soviel Pinke. Es wird wohl bei dem bisherigen gut überschaubaren Tourismus bleiben.

Damit kommen wir zu Woltersdorfs Fluchtpunkt, den Schulstandort. An dessen mageren Busen lässt’s sich wohl ruhen, denken bestimmt diverse Gemeindevertreter. Was bringt es uns eigentlich, Schulstandort zu sein. Kann die Gemeinde davon existieren? Die Schulgebäude samt Einrichtung muss die Gemeinde, abzüglich Fördergelder, bezahlen. Da haben wir die Grundschule und die FAW, bisher kosteten die Beiden einige Millionen, insbesondere die FAW. Für deren Neubau musste auch der Kommunale Küchenbetrieb abgerissen werden. Seitdem hat Woltersdorf keinen größeren Saal für Feste zu bieten. In den Schulen wird’s eng zu eng, es werden über die Jahre neue Klassen hinzukommen. Wir müssen anbauen, aufstocken, die Rede ist von einigen Millionen, es könnten so an die acht bis zehn werden, falls noch die notwendigen Kindergartenplätze geschaffen werden. In der Kasse haben wir, schwankend, um die sechs Millionen. So richtig Geld verdienen mit den Schulen ist nicht drin, die kosten eher. Geld könnten die Schulen bringen, falls die Eltern nach Woltersdorf ziehen und hier Steuern zahlen. Es gibt auch viele, die den Schritt wagten, Woltersdorfer wurden. Nur ein finanzielles Standbein ist der Schulstandort nicht geworden.

Was nun. Das ist die Frage?