Da soll Frau Emmely, die bei der Lebensmittelkette Kaiser’s seit über 30 Jahren beschäftigt war, geklaut haben, sage und schreibe 1,30 Euro. Die Betonung liegt auf soll, Beweise gibt es nicht, nur einen Verdacht.
Das Urteil beruht auf einen Anachronismus der Gesetzgebung. Ein Verdachtsurteil dürfte es nicht geben: In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten) ist ein Grundsatz der Strafrechtspflege. Das deutsche Arbeitsrecht richtet aber nach dem Grundsatz: In dubio contra reum (Im Zweifel gegen den Angeklagten). Das Urteil war auch nicht, lus congens (zwingendes Recht). Die Richterin hätte durchaus anders entscheiden können. So drängt sich unausweichlich die Frage auf, spielte die gewerkschaftliche Vergangenheit der Beschuldigten bei der Urteilsfindung eine Rolle?
Wäre die Kündigung nicht auf Verdacht, sondern auf Grund von Tatsachen erfolgt, dann wäre die Kündigung rechtlich nicht anzufechten. Jede Firma hat aber auch die Möglichkeit selber zu entscheiden, ob das notwendig ist. In dem Betrieb, in dem ich zu sozialeren Zeiten als heute werkelte, wurde dem Deliquenten zuerst eine Umsetzung innerhalb des Betriebes mit einen neuem Arbeitsvertrag angeboten. Das bedeutete Wegfall aller Besitzansprüche und meist ein geringeres Anfangsgehalt als vorher gezahlt wurde. Strafe genug, bei 1,30 Euro?
Einkaufen bei Kaiser’s – Danke, muss nicht sein!
Ich widerspreche. In Deutschland gilt gleiches Recht für alle. Für manche sogar noch ein bisschen gleicher. In Österreich übrigens genauso. Der Fall Althaus zeigt das deutlich.
Und dass die Regierung ernsthaft überlegt hat, einer Milliardärin eine ordentliche Finanzspritze zu verpassen, damit ihre Firma nicht Bankrott geht, das ist doch auch ein Zeichen von hohem sozialen Verständnis. So eine Milliardärin hat schließlich hart gespart und braucht ihre Euros doch für Klamotten, Klunker, Festivitäten, Jachten etc. Die kann sie doch nicht in ihre Firma stecken. Aber nein, das kann man doch von der armen Frau nicht verlangen. Und vermutlich hat sie durch die Finanzkrise noch Einbußen hinnehmen müssen – die Ärmste. So einer muss man doch helfen…
Liebe Renate, deine Ausführung hat mich überzeugt. Alles was du berichtest kann jeder, der die Augen öffnet, im kränkelnden Land selber schauen. Ich bin immer mehr der Überzeugung, wir brauchen etwas Neues. Monarchie, Diktatur, Kommunismus und nun das, was die Demokratie nennen, haben versagt. Was nun? Woher nehmen, etwas das etwas Gerechtigkeit bringt?
Speziell zu der armen Frau. Sie war eben nur ein bisserl verfressen, die Arme. Da wirst du ihr doch die medizinische Pflege gönnen, damit sie den Autoreifen wieder auskotzen kann.
LG Bernd
Diese Geschichte stinkt zum Himmel!!
Ich kenne die Dame schon länger, weil sie nämlich in dem Supermarkt arbeitete, der zwei Minuten von meiner damaligen Wohnung entfert war. Es ist wirklich schade, was geschah, denn sie ist sehr nett.
Diese Geschichte mit dem Flaschenbon ist nur vorgeschoben und der Zeitpunkt zu offensichtlich.
2007 streikte der Einzelhandel in Berlin. Dabei waren auch unsere Verkäuferinnen der entsprechenden Kaisersfiliale. Da auch wir von der GDL in dieser Zeit streikten und ich zufällig am Alex diese Streikdemo des Einzelhandels sah, gesellte ich mich zu ihnen und richtete auch einige Worte an die Masse. Es wurde seht gut aufgenommen. Dabei war auch die gekündigte Kollegin.
Wie ich anschließend erfuhr, knöpften sich die Filialleiter die Kollegen nacheinander vor und drohten mit Konsequenzen, falls sie sich noch einmal an einem Streik beteiligen würden. Bei fast allen fiel die Drohung auf fruchtbaren Boden, nut bei dieser Kollegin nicht. Kurz danach kam nach 31 Jahren die Sache mit dem Bon.
Mit diesem Hintergrund ist die ganze Geschichte eine doppelte Schweinerei und zeigt zudem die Skrupellosigkeit unserer Mitmenschen. Existenzen spielen keine Rolle und die meisten sind sich überhaupt nicht im Klaren, dass sie mit ihren Entscheidungen in Lebensläufe eingreifen.
Dazu fällt mir nix mehr ein, außer: Armes Deutschland!!
Hi Rico,
danke für die Infos zum Hintergrund. Auch ich habe bisher niemanden getroffen, der das Urteil oder die Kündigung als gerecht ansahen. Es bestätigt meine feste Überzeugung, dass es in Deutschland zwei Grundgesetze geben muss, eines für die Reichen und eines für die Armen.
LG Bernd