Erdogan kontra Satire

Zitat von Kurt Tucholsky aus „Was Satire darf“ (1919): […] „wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (›Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!‹), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag wiederschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiss recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.“

Der Herr Erdogan, eine einstweilige Verfügung hat er durchgedrückt, gegen den Böhmermann. Der Fernsehmann lebt in Köln, logisch wäre es, wenn Erdogan seine Klage beim Landgericht Köln eingereicht hätte. Das braucht er aber nicht, der Kläger kann sich selber aussuchen, welches Gericht in Deutschland er mit seinen Sorgen beschäftigen möchte. Wäre ich Erdogan, würde ich um das Landgericht an Böhmermanns Wohnsitz Köln, einen weiten Haken schlagen. Die Kölner haben den Ruf pressefreundlich zu sein. Das ist schlecht für einen, der sein Mütchen an der Journaille kühlen möchte. So fiel die vorhersehbare Wahl auf das Landgericht Hamburg, es hätte auch das Landgericht Berlin sein können. Beide Landgerichte genießen bei Journalisten einen – hervorragenden – Ruf. Somit ist der Spruch der Hamburger Kammer auch keine wirkliche Überraschung gewesen. Hätten die Hamburger für Böhmermann entschieden, ich würde es nicht einmal glauben, könnte ich selbst das Urteil lesen.

Deshalb ist die Ankündigung von Böhmermann die nächsthöhere Instanz anzurufen, nicht überraschend. Es gibt keinen anderen Weg, dem bekannten Landgericht Hamburg ein Schnippchen zu schlagen.